Back to Basics -Ein Blick nach Fernost

Referent: Thilo Liebig

Vortragsbeschreibung:
Kann man sich eigentlich schon als „Lean“ bezeichnen, wenn man die Letzte-Planer-Methode (LPM) oder Target Value Design anwendet? Ein etwas systematischerer Blick in japanische Unternehmen zeigt, dass es um viel mehr geht als nur die Anwendung von Werkzeugen des Lean Management oder Lean Construction. Auch eine sprachliche Besonderheit fällt auf, denn in Japan wird der Begriff „Lean“ kaum verwendet, sondern der Begriff „Kaizen“: Veränderung zum Besseren. Besonders deutlich wird das, wenn man sich das traditionelle Handwerk des Messerschmiedens und -schleifens anschaut. Aber auch bei Betrachtung der japanischen Industriegeschichte wird deutlich, wie tief und lange verwurzelt der Kaizen-Gedanke in Japan bereits ist (1896 erste Automatisierungsansätze und damit 1926 Ermöglichung der Mehrmaschinenbedienung für Webstühle in Japan). 
In den besuchten Unternehmen des Automobilsektors, der Eisenbahnwartungs- und Instandhaltung bis hin zu Dienstleistungen wurde bei einer methodisch-systematischen und kriterienorientierten Beobachtung sehr schnell deutlich, wo erfolgsentscheidende Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede in der Lean-Implementierung liegen. Treffen wir in der westlichen Welt häufig oder gar überwiegend eine eher „technische“ Implementierung von Lean Management an, kann man in erfolgreichen japanischen Unternehmen eine ganzheitliche Herangehensweise beobachten, die den wertschöpfenden Menschen viel stärker in den Mittelpunkt rückt und in der Konsequenz deutlich effektiver und nachhaltiger wird. Damit werden auch zu beobachtende signifikante Unterschiede im Führungsverständnis zwischen Japan und der westlichen Welt erklärbarer.
Im Vergleich zu all diesen Beobachtungen steht die deutsche Bauindustrie erst ganz am Anfang. Zwar gibt es hierzulande schon erste sichtbare, zarte Pflänzchen. Diese gilt es jedoch, zu pflegen, weiterzuentwickeln und im wahrsten Sinne des Wortes zu kultivieren. Die damit verbundene Entwicklung von Einstellung und Haltung aller Beteiligten darf sich nicht nur auf Unternehmen und Projektteams beschränken, sondern umfassen auch den öffentlichen Sektor mit seinen Verwaltungen und Dienststellen. Denn anders als man es vielleicht auf den ersten Blick vermutet: auch öffentliche Verwaltungen, Genehmigungsbehörden und Gutachter/Prüfer sind – wie auch der Bauherr und das gesamte Projektteam – Teil des Wertschöpfungsprozesses. Und diesen gilt es, kontinuierlich effektiver und effizienter zu machen. Vor allem in Deutschland mit seinen vor uns liegenden Herausforderungen (z. B. Sondervermögen Infrastruktur mit 500 Mrd. EUR), denn um diese erfolgreich zu meistern, brauchen wir weniger „abseits-pfeifende Linienrichter“, sondern mehr Spieler, die „beim Toreschießen“ helfen und immer wieder den Blick auf das Wesentliche richten: den Kundennutzen.